Essenskultur in Tansania – über einige religiöse und regionale Unterschiede
Das Essen und die tansanischen Essgewohnheiten unterscheiden sich nicht nur von dem, was wir aus Deutschland kennen, sondern auch innerhalb Tansanias gibt es große Unterschiede zwischen den Religionen, Regionen, Ethnien und einzelnen Familien.

DISCLAIMER: Vorweg muss aber gesagt werden, dass wir hier nur aus der Sicht unserer Erfahrungen sprechen und kein allumfassendes Bild der Essgewohnheiten innerhalb ganz Tansanias abbilden können. Wir unterscheiden nach den Erfahrungen in unseren muslimischen und christlichen Familien in jeweils unterschiedlichen Regionen – einmal Sansibar und einmal Festland Tansania. Nun leben wir schon seit fast 8 Monaten in Tansania und essenstechnisch haben sich unsere Gewohnheiten komplett verändert. Da freut man sich dann doch öfters mal, dass etwas Bekanntes wie Chipsi (wie Pommes) oder Chipsi Mayai (Pommes im Ei-Omelette) hier überall als beliebtester Straßensnack schnell zu bekommen sind. Und auch die sogenannten Bunsi/Skonsi, die es sowohl zu kaufen gibt, aber auch häufig in den Familien selbst gebacken werden (wenn ein Ofen vorhanden ist), erinnern an weiche Weizen- oder Milchbrötchen aus Deutschland.
Die muslimisch-tansanische Essenskultur
Und nicht nur das Essen an sich ist hier anders als in Deutschland, auch die Esskultur ist neu für uns. Als Janosch aus einer christlichen Familie in Morogoro letztens das erste Mal zu Besuch bei unseren muslimischen Familien hier auf Sansibar war, sind uns jedoch große religiös bedingte Unterschiede beim Essensritual mit der Familie aufgefallen. Denn, während christliche Familien am Tisch auf Stühlen sitzen und jede Person sein Essen vom eigenen Teller isst, essen muslimische Familien zusammen von einem großen Teller und sitzen dabei auf Bastmatten auf dem Boden. Wir haben auch häufiger erlebt, dass muslimische Männer entweder allein oder zusammen mit anderen Männern essen, aber auch das komplette Gegenteil der Fall sein kann. Die Frauen kochen im Normalfall für den Mann und räumen nach dem Essen zusammen mit den Kindern das Geschirr ab. Muslimische Männer und Frauen essen gewöhnlich nur zusammen, wenn sie verheiratet sind. Das Essen wird in den Familien meist für den ganzen Tag gekocht, sodass sowohl mittags als auch abends dann oft das Gleiche gegessen wird (Reis wird auf Sansibar zu 99% ein Hauptbestandteil sein, der wird hier echt am meisten gegessen).
Das gemeinsame Essen in sansibarisch/muslimischen Familien in Tansania läuft ungefähr so ab:
- Der große Teller (oder man kann es fast schon Platte nennen) wird auf die Matte gelegt.
- Alle setzen sich im Schneidersitz um das Essen drumherum.
- Je nach Hierarchie wäscht sich jeder die rechte Hand mit etwas Wasser (z.B. Mama zuerst). Man isst dann mit der rechten Hand, mit der linken Hand wird verzichtet, da sie als unrein gilt und auf der Toilette Verwendung findet. In meiner muslimischen Gastfamilie wird eigentlich alles mit der Hand gegessen.
- Alle sagen Bismillah (= Im Namen Gottes) und essen.
- Wenn man satt ist, muss man das ganz klar einmal mit Asante nimeshiba (Bedeutet übersetzt grob: Danke, ich bin satt) sagen und kann sich dann die rechte Hand und den Mund nochmals waschen oder von jemandem das Wasser reichen lassen. Anders als in Deutschland muss man danach nicht unbedingt weiter bei allen sitzen bleiben und auf die anderen warten.
Was jedoch einigermaßen verwundern mag, ist, dass in den meisten Familien auf Sansibar – der Insel, die auch als “Gewürzinsel” benannt wird, meist nur mit Salz und etwas Pfeffer und vielleicht noch mit Pilipili-Soße (Chili) gewürzt wird. So werden auf der Insel zwar viele verschiedenste Gewürze angebaut, an jeder Ecke verkauft und in touristischen Spice-Touren hoch angepriesen, jedoch nutzt die Bevölkerung diese gar nicht in dieser Vielfalt. Bis heute sind zwar die Einflüsse aus dem arabischen und indischen Kulturraum zu spüren, ganz klar auch im Essen. Aber die meisten Speisen kommen ohne spezielle, exotische Geschmäcker aus – was natürlich auch je nach finanzieller Lage und Familienherkunft variieren kann. Sowohl auf Sansibar als auch auf dem Festland werden größtenteils nur regionale Produkte verwendet, weshalb auf Sansibar z.B. in fast jede Soße Kokosnuss verarbeitet wird und auch sonst regionales Gemüse eingekocht wird. So wird logischerweise gerade auf Sansibar und in der tansanischen Küstenregion auch sehr viel Fisch und Meeresfrüchte gegessen, da das Angebot in diesen Regionen einfach höher ist. Ergänzend muss man aber anführen, dass die verschiedenen Ethnien, Kulturen und Gruppen innerhalb Tansanias und somit auch ihre Esskulturen sich stark vermischen. Familien, die vielleicht von der Küste stammen, jetzt aber im Inland wohnen, werden eher die Esscharakteristika der Küste übernehmen und weiterführen. Die Historie jeder Familie und verschiedene ethnische, religiöse und regionale Unterschiede spielen demnach immer eine große Rolle.
Die Esskultur auf dem Festland
Ähnlich wie auf Sansibar essen Männer getrennt von den Frauen des Hauses, die sich meist erst etwas nehmen, nachdem die Männer gegessen haben. Auch wenn wir das in verschiedenen Familien unterschiedlich erlebt haben. Generell habe ich die Erfahrung machen dürfen, dass das Abendessen die Hauptmahlzeit ist und am meisten aufgetischt wird. Mittags ist es dann eher ein kleinerer Teller oder Snack für zwischendurch, der gegen den kleinen Hunger gegessen wird. Nach meiner Beobachtung, wird ein Snack auf der Hand allgemein von vielen Tansanier_innen geliebt, was auch das große Angebot auf den Straßen erklärt. Das meiste Essen wird in Wasser gekocht oder in Pflanzenölen frittiert (z.B. Chipsi oder Fisch), häufig Sonnenblumen- oder Rapsöl, Butter o.ä. findet zumindest zum Kochen eher keine Anwendungen. Der Regel nach werden langsam kochende Dinge über Holzkohle und schnelle Dinge über Gas gekocht. Mit Gas zu kochen ist auf dem Festland und auch auf Sansibar normal, sofern man als Familie das Geld für Gas aufbringen kann. In meiner Gastfamilie wurde teilweise mit beidem gekocht.
Das Essen läuft häufig so ab:
- Es werden sich die Hände mit Seife gewaschen, meist an einem Waschbecken oder einer Schüssel. Restaurants haben dafür extra Waschmöglichkeiten.
- Dann wird bei christlichen Familien je nach Konfession ein Ritual abgehalten, bei den Muslimen wird es ähnlich wie auf Sansibar sein. Bei mir in der Gastfamilie war es häufig wie folgt: in der Regel wurde ein kurzes Tischgebet gesprochen, jede_r still für sich, mit gefalteten Händen.
- Anschließend wird, abgesehen von Ausnahmen wie Fingerfood, mit Besteck und Tellern gegessen, gemeinsam am Tisch.
- Dabei wird auch auf dem Festland auch nicht aufeinander gewartet, sondern man beginnt, nachdem man sich genommen bzw. aufgetan bekommen hat.
- Bei mir in der Gastfamilie dürfen Gäste, Alte und Männer sich zuerst nehmen.
- In großen Gruppen ist nachnehmen erst dann erlaubt, wenn sich alle genommen haben.
- Nachdem man fertig gegessen hat, ist es einem erlaubt aufzustehen, wenn es einem beliebt. Wichtig anzumerken ist, dass es nach den Erfahrungen des diesjährigen Jahrgangs als sehr unhöflich gilt, wenn ein Gast seinen Teller nicht leer isst.
- Abgespült wird in der Regel von Frauen und ihren Töchtern oder den Haushaltshilfen, wie bei mir in der Gastfamilie.
Ein Tag voller Essen – typische Gerichte in Tansania
Chai – das tansanische Frühstück:
Nicht ohne Grund heißt Frühstücken auf Kiswahili kunywa chai (kunywa=trinken, chai=Tee), denn der Chai, meist ein Tee mit Zitronengras, Ingwer oder typischen Markentees wie Simba, ist fester Bestandteil jedes tansanischen Früstück. In unseren Gastfamilien, wird besonders gerne mit Zucker getrunken, manchmal ein ganzer Esslöffel pro Tasse (oder auch zwei oder drei). Dazu wird Gastfamilien dann das, was vom Vortag noch da ist oder Bunsi oder anderes Weizengebäck, Toast, Chapati, Reisküchlein, Kartoffeln, Maniok, etwas Fisch, Mandaazi, Ei Omelett manchmal auch mit Gemüse, Kicheti oder etwas von den anderen unzähligen kleinen Snacks verzehrt. Dazu gibt es je nach finanzieller Lage oder bei eigenen Bienen auch Honig dazu. Außerdem beliebt bei Tansanier_innen sind Blueband (Margarine), Erdnussmus und Marmelade auf dem Brot.
Mittag- und Abendessen:
Die Grundlage jeden Essens in Tansania ist eine Kohlenhydratquelle, die je nach Region, Religion und familiärer Präferenz entweder meistens Wali oder Ugali ist. Ugali ist eine Art Gries aus Stärke, wobei je nach Stärkebasis ein anderer Geschmack entsteht. Der Gewürzreis Pilau wird meist eher zu festlichen Anlässen zusammen mit Fleisch serviert. Zu der Kohlenhydratquelle wird eine Mchuzi (= Sauce) aus geriebenem Gemüse, Kokosnuss und festen Bestandteil gereicht. Alternativ wird Maharage (=Bohnen) in Kokosnuss als Sauce genutzt. Bei anderen Beilagen und den Saucen kommt es vor allem auf die regionalen Produkte an, die gerade auf dem Festland oder den Inseln saisonal erhältlich sind. Kartoffeln, Bamia (=Okraschoten) oder Amarant sind häufig auf dem Speiseplan zu fnden, die durch Fisch, Meeresfrüchten und Fleisch ergänzt werden. Fisch und Fleisch wird entweder geräuchert, gegrillt oder frittiert. Manchmal sind es auch Kochbananen oder Kartoffeln anstelle von Fleisch, das kommt immer auf das Budget an. Häufiger als Fleisch finden sich Gemüsebeilage auf unseren Tellern z.B. Mboga za majani (=Spinatähnliches Gemüse). Früchte werden in unseren Familien häufig dazu gegessen, manchmal dienen sie auch als Dessert.
Snacks:
Neben den bereits erwähnten Chipsi und Chipsi Mayai, bekommt man auf den Straßen Tansanias überall verschiedenste Früchte, Zuckerrohr, geröstete Erdnüsse oder Cashews, salziges Popcorn, gegrillten Mais, gekochte Eier, Katchori aber auch Mishkaki (Fleischspieße) oder Samosa (kleine gefüllte Teigtaschen). Auf Sansibar gibt es außerdem die beliebte Urojo-Suppe.