East African Crude Oil Pipeline - Zwischen Goldgräberstimmung und Lebensrisiko für Mensch und Umwelt

Die geplante Öl-Pipeline soll Rohöl, das erstmals 2006 am Albertsee in Uganda gefunden wurde, bis an die Ostküste von Tansania transportieren. Das Infrastrukturprojekt von Uganda, Tansania, dem chinesischen Staatskonzern China National Offshore Oil und dem französischen Unternehmen TotalEnergies stößt jedoch neben den „rosigen Aussichten“ auf versprochenes wirtschaftliches Wachstum und die dringend benötigten Arbeitsplätze, auf viel Kritik. Langlebigkeit und Nachhaltigkeit des Projekts, sowie Menschenrechte, Umweltschutz und Gefährdung der Biodiversität sind nur einige der Beweggründe, warum der internationale Protest gegen EACOP steigt.

EACOP Streckenverlauf EACOP Streckenverlauf Streckenverlaufsplan der EACOP durch Uganda und Tansania. [Foto von unbekannt, Public Domain https://ke.boell.org/en/2022/07/21/eacop-looks-more-and-more-corporate-colonialism-omar-elmawi]

“Nach ihrer Fertigstellung, voraussichtlich im Jahr 2025, wird sie mit 1.400 Kilometern Länge die längste beheizte und mit 4 Milliarden Dollar Baukosten die teuerste Ölpipeline der Welt sein.”1

Die geplante Öl-Pipeline soll Rohöl, das erstmals 2006 am Albertsee in Uganda gefunden wurde, bis an die Ostküste von Tansania transportieren. Das Infrastrukturprojekt von Uganda, Tansania, dem chinesischen Staatskonzern China National Offshore Oil und dem französischen Unternehmen TotalEnergies stößt jedoch, neben den „rosigen Aussichten“ auf versprochenes wirtschaftliches Wachstum und die dringend benötigten Arbeitsplätze, auf viel Kritik. Langlebigkeit und Nachhaltigkeit des Projekts, sowie Menschenrechte, Umweltschutz und Gefährdung der Biodiversität sind nur einige der Beweggründe, warum der internationale Protest gegen EACOP (East African Crude Oil Pipeline) steigt.

Streckenverlauf

Von Kabaale-Hoima in Uganda bis Chongolani peninsula nahe des Hafens von Tanga in Tansania soll sich die Rohrleitung auf über 1 443 km Länge erstrecken. Von den Tilenga- und Kungfisher Ölfeldern aus sollen die ersten 296 km in Uganda und die restlichen 1.147 km in Tansania verlaufen.

Das Versprechen auf eine rosige Zukunft

Die Regierungen von Uganda und Tansania sehen in dem Bau der EACOP primär die Chance ihre Staaten zu industrialisieren und neue Arbeitsplätze für die wachsende Bevölkerung zu schaffen „ […] und tun die Kritik gern als Verschwörung gegen die nationalen Fortschrittsziele ab“2, so die Tansania Information in ihrem monatlichen Bericht. Mit dem Bau der EACOP ist das Versprechen auf 100 000 neue Arbeitsplätze verbunden, die vor allem der Jugendarbeitslosigkeit in beiden Ländern entgegenwirken und zum wirtschaftlichen Aufschwung verhelfen sollen. Der Staatskonzern Uganda National Oil Company Limited (kurz UNOC), erhofft sich von dem Projekt 32 000 direkte Arbeitsplätze und weitere 90 000 Jobs durch Raffinerien sowie in Upstream-Projekten. Es wird den Ugander*innen und Tansanier*innen zudem Wohlstand und eine verbesserte Infrastruktur in Aussicht gestellt. Weiterhin soll auf diese Weise zum Einen moderne Technologie nach Ostafrika transferiert werden. Zum Anderen soll auch der Tourismus vom neu gebauten Flughafen nahe dem Murchison Falls Nationalparks profitieren, der hauptsächlich für die Umsetzung des Bauvorhabens geschaffen wurde.

Uganda kann zudem, laut UNOC, auf mehr als zwanzig Milliarden USD Rohöleinnahmen hoffen und auch die Steuereinnahmen von Tansania und Uganda sollen durch dieses Megaprojekt steigen. „Die Entwicklung der petrochemischen Industrie wird die Handelsbilanz und die Zahlungsbilanz Ugandas erheblich verbessern“3, so ist es auf der Website der UNOC zu lesen. Aber nicht nur für Uganda ist der Bau der EACOP ein Vorhaben nationaler Tragweite, auch die tansanische Regierung sieht in diesem Infrastrukturprojekt die Chance, Tansanias ökonomische Position und damit auch den eigenen Einflussbereich in Ostafrika auszuweiten. Nachbarländer werden durch Großprojekte, wie z.B. die EACOP, stärker (wirtschaftlich) aneinander gekoppelt und so auch miteinander verbunden.

Es wird argumentiert, dass der Energiehunger Afrikas in den nächsten Jahrzehnten irgendwie gedeckt werden muss, da alleine bis 2040 ein Plus um 30% des aktuellen Energiebedarfs erwartet wird. Deshalb setzen beide Regierungen darauf, dass man mit den Einnahmen aus dem Verkauf und der eigenen Nutzung des schwarzen Goldes die Energiearmut der Bevölkerung senken kann. Positiv wird dabei hervorgehoben, dass die Nutzung von Flüssiggas, welches man aus dem Öl herstellen könnte, die Nutzung von Holzkohle als Brennmaterial einschränken könnte. Dies wiederum würde zur Abholzung von weniger Wäldern führen und so den Ländern bei einem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise helfen.

Unsere (historische) Verantwortung

Fakt ist, dass eine Ölpipeline keine gute Investition in eine Zukunft sein kann, in der wir möglichst klimaneutral leben wollen und müssen, um das 1,5 Grad Ziel des Pariser Klimaabkommens noch zu erreichen. Die Studienlage ist dahingehend eindeutig und auch die International Energy Agency (IEA) betonte 2021, dass die Erschließung neuer fossiler Energieträger sofort gestoppt werden müsse, wenn die Weltgemeinschaft ihre Klimaziele einhalten möchte. Jedoch ist es auch gefährlich sich als Mensch, welcher in einem Industrieland wie Deutschland den Großteil seines Lebens verbringt, anzumaßen, die afrikanischen Staaten belehren zu wollen. Durch den Ukraine-Krieg sind es vor allem die Industrieländer des Westens, die gerade Öl aus anderen Quellen beziehen wollen. Sowohl die USA, als auch Großbritannien und Norwegen haben ihre Öl-Fördermengen gesteigert. Gleichzeitig heben wir jedoch unseren Zeigefinger und wollen Uganda und Tansania genau das verbieten, was wir selbst tun. Dabei muss man auch beachten, dass Afrika von den jährlichen globalen Treibhausgasemissionen nur einen Anteil von drei bis vier Prozent verursacht, obwohl fünfzehn Prozent der Weltbevölkerung auf dem afrikanischen Kontinent leben. Im Vergleich wohnen in Deutschland 1,08 % der Weltbevölkerung (2022), diese emittieren jedoch ganze zwei Prozent (2021) der weltweiten jährlichen Treibhausgasemissionen. Auch historisch gesehen haben die Industrieländer deutlich mehr CO2-Emissionen verursacht, als die afrikanischen Länder. Hinzu kommt, dass es für den globalen Norden eben wesentlich leichter ist, seine Klimaschutzziele im globalen Süden durchzusetzen, anstatt die Konsumgesellschaft im eigenen Land einzuschränken oder das gesamte kapitalistische System zu reformieren. Auch die Verantwortung von großen Energiekonzernen für den Klimawandel und Finanzierung solcher Projekte kann nicht außer Acht gelassen werden. In diesem Fall, ist TotalEnergies, ein französischer Global Player, an dem Projekt beteiligt. Laut neuesten Untersuchungen wusste man bei Total schon 1971 ganz gut über die Folgen des Klimawandels Bescheid, versuchte aber die öffentliche Meinung ab den 1980ern so zu beeinflussen, dass die Zweifel über die Ursachen doch immer wieder geschürt wurden.

Für Umweltaktivisten aus Ostafrika wie Omar Elamawi, welcher die Kampagne „stopEACOP“ leitet und Anwalt für Klimagerechtigkeit ist, sieht EACOP „mehr und mehr nach unternehmerischem Kolonialismus aus”4, da hauptsächlich TotalEnergies und China National Offshore Oil die Profite einfahren werden. Das Öl, welches aus Uganda stammt, wird in den globalen Norden verschifft werden, sodass die lokale Bevölkerung nicht davon profitieren wird. In diesem Zusammenhang kann man von Neokolonialismus sprechen. Die Aktivisten befürchten außerdem, dass Uganda und Tansania das Schicksal des Ressourcenfluches wie z.B. Nigeria ereilen könnte. Nigeria brachte der Fund von fossilen Rohstoffen vor allem noch mehr Korruption, Armut und Umweltverschmutzung. Jetzt ist die Lebenserwartung in Nigeria geringer als vorher und die Probleme haben sich zugespitzt. Es haben sich viele afrikanische Staaten, die zu den friedlichsten und wohlhabendsten Staaten auf dem Kontinent zählen, positiv ohne Erdölvorkommen entwickelt.

Die Resolution des EU-Parlamentes

Es gibt viel internationale Kritik an dem Bau der EACOP und auch das EU-Parlament hat am 15. September 2022 eine Resolution verabschiedet, in der es „die internationale Gemeinschaft auf(fordert), größtmöglichen Druck auf die ugandischen und tansanischen Behörden sowie auf die Projektträger und Interessenträger auszuüben, um die Umwelt zu schützen und den Rohstoffaktivitäten in geschützten und sensiblen Ökosystemen […] ein Ende zu setzen, und sich zu verpflichten, [...] die Kultur zu erhalten; Gesundheit und Zukunft der betroffenen Gemeinschaften und Prüfung von Alternativen im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen in den Bereichen Klima und biologische Vielfalt.“5

Kritik gibt es viel und sie reicht von Umweltbedenken, über den Umgang mit Aktivistinnen und Aktivisten in Uganda und Tansania bis hin zu ethischen Fragen hinsichtlich der Vertreibung von Menschen für den Bau.

Das Schicksal der Vertriebenen

Für den Bau der East African Crude Oil Pipeline müssen ungefähr 100 000 Ugander*innen und Tansanier*innen ihr Zuhause verlassen und werden vertrieben. Bereits vor Baubeginn kam es zur Umsiedlung von 7 000 Menschen. Das Gesicht des afrikanischen Klimaschutzes, Vanessa Nakate, sagte dazu, die EACOP „is going to affect the lives of so many people. The communities that are being impacted right now, people are being left homeless.“6. Die Pipeline soll auf Ländereien von 60 000 – 117 000 Menschen errichtet werden. In der Vergangenheit kam es bereits zum Konfiszieren von Grundbesitz, der Zerstörung von Häusern und es wurden keine ausreichenden Entschädigungszahlungen gezahlt. Wenn diese angeboten wurden, konnte zwischen monetären Ausgleichszahlungen oder einem neuen Grundstück gewählt werden. Der Betroffenenverband Oil Refinery Residents Assosiation Uganda (ORRAUG) hat jedoch schon 2014 gegen die ugandische Regierung geklagt, da diese die versprochenen Standards nicht einhalte. Beispielhaft ist hier eine Ausgleichssiedlung, welche den Namen Kaykabooga/Kyakaboga trägt und bei Ankunft der umgesiedelten Menschen weder mit einer Schule, noch gesundheitlichen Einrichtungen oder Orten zur Religionsausübung ausgestattet war. Die Häuser stehen in Reihen, statt wie früher inmitten der familieneigenen Felder, was eine traditionelle Lebensweise und das Zusammenleben mehrerer Generationen auf einem Grundstück nahezu unmöglich macht. Zudem ist das Land in der Umgebung der neu errichteten Ausgleichssiedlungen oftmals nicht mehr so fruchtbar wie zuvor. Das stellt für viele Bewohner ein großes Problem dar, da sie ihren Lebensunterhalt mit dem Anbau von landwirtschaftlichen Erzeugnissen verdienen. Auch die Fischer am Albertsee mussten mittlerweile den Ölförderungsanlagen weichen.

Öl-Förderung im artenreichsten Teil Afrikas

Das Öl, welches durch die EACOP fließen soll, wird in zwei Ölfeldern gefördert. Der chinesische Konzern CNOOC betreibt dabei das Kingfisher-Ölfeld, welches nach dem gleichnamigen Vogel benannt ist und sich im Süden des Lake Albert befindet. Für den Bau werden Röhren unterhalb des Albertseebeckens kilometertief in den Untergrund gebohrt, um dort 40 000 Barrel Öl pro Tag zu fördern. Mögliche Öl-Lecks könnten katastrophale Folgen für die Natur und die ugandische Bevölkerung haben, besonders vor dem Hintergrund, dass 30% des Fisches in Uganda aus dem Lake Albert stammen und auch der weiße Nil den Lake Albert durchströmt. So könnten Verunreinigungen auch hunderte Kilometer weiter noch Schaden anrichten.

Das Tilenga-Ölfeld ist das nördliche und größere Ölfeld von beiden und wird vom französischen Konzern TotalEnergies betrieben. Der Konzern plant pro Tag, 190 000 Barrel Öl dort zu fördern. Diese Öl-Lagerstätte befindet sich jedoch teilweise im Murchison Falls Nationalpark, welcher das artenreichste Gebiet auf dem afrikanischen Kontinent ist und Lebensraum für zahlreiche bedrohte Arten bietet. 76 verschiedene Säugetier- und 451 Vogelarten sind in dem Gebiet heimisch und nicht wenige von ihnen stehen auf der roten Liste. Neben der Tilenga-Antilope bewohnen circa 2700 afrikanische Elefanten, aber auch Löwen, Nil-Krokodile und Nilpferde, Leoparden und seltene Rothschildgiraffen das 3800 Quadratkilometer große Schutzgebiet. TotalEnergies möchte 10 von 34 Bohrstationen im Nationalpark betreiben. Dies wäre das erste Ölförderungsprojekt in einem geschützten Gebiet in Ostafrika. Dabei ist nicht zu vernachlässigen, dass die Natur nicht nur durch die Bohrungen selbst zerstört und gefährdet wird, auch die entsprechende Infrastruktur, welche zu Bohrlöchern führt, hat enorme Auswirkungen für das Leben im Park. So nehmen beispielsweise Elefanten seismische Aktivitäten im Boden wahr und meiden diese Regionen, weshalb es immer öfter dazu kommt, dass Tiere die Parks verlassen. So werden weiter neue Wildtier-Mensch-Konflike geschaffen, da Elefanten oftmals Felder in den angrenzenden Dörfern niedertrampeln oder ganze Ernten auffressen. Auch die asphaltierten Straßen, welche sich nun durch den Park ziehen, stellen ein Hindernis für die natürlichen Bewegungs- und Migrationsrouten vieler Tiere dar. Grund dafür ist die starke Erhitzung der Fahrbahn, welche durch die hohe Sonneneinstrahlung, so heiß wird, dass die Tiere diese nicht mehr betreten können. Des Öfteren werden an den Fahrbahnrändern auch tote Tiere, zumeist Affen aufgefunden, welche einfach von Baustellenfahrzeugen überfahren wurden.

Gewissensbisse? - Der Versuch die Zerstörung der Natur unsichtbar zu machen

TotalEnergies versucht mit dem Konzept des „net biodiversity gain“ seinen Ruf als umweltzerstörerischer Konzern zu kaschieren. Grob gesagt möchte das Unternehmen die Zerstörung der Natur so gering wie möglich halten, stellt Natur an anderer Stelle „einfach“ wieder her und verleiht dieser besonderen Schutz. Wie „einfach“ das letztendlich geht, ist aufgrund verschiedenster Faktoren sehr umstritten. Es gibt keinen solide wissenschaftliche Evidenz, dass das „Biodiversity Offsetting“, wie es in Expertenkreisen genannt wird, wirklich wirksam sein kann. Zunächst einmal muss sichergestellt werden, dass diese Kompensationsprojekte langfristig sind und nicht beim nächsten Ölfund in dem Gebiet wieder plattgemacht werden. Kompensationsversprechen würden darüber hinaus die Zerstörung von Biodiversität zum Zweck augenscheinlich größerer Dinge, wie dem Bau der EACOP, legitimieren. Außerdem verleitet die angebliche Alternative der Kompensation dazu anzunehmen, man könnte diese besonderen, einzigartigen Ökosysteme einfach zerstören, wenn es notwendig ist und den Schaden an anderer Stelle einfach ersetzen. Das ist jedoch ein Trugschluss, da diese ineinander verzahnten, äußerst komplexen natürlichen Lebensräume über Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende entstanden sind und nicht vom Menschen künstlich konstruiert werden können. Es sollte stets gelten, Eingriffe bestmöglich zu vermeiden.

Im konkreten Fall möchte Total Energies 50% mehr Parkranger im Murchison-Falls-Nationalpark und will sich in Zusammenarbeit mit der Uganda Wildlife Authority an einer Wiederansiedlung des Spitzmaulnashorns in Uganda beteiligen. Des Weiteren sollen die meisten Pumpanlagen der Pipeline mit Solarstrom betrieben werden. Inwieweit sich TotalEnergies an seine Versprechen halten wird und diese im Fall der Pumpanlagen überhaupt umsetzbar sind, wird sich in Zukunft erst zeigen. Klar ist jedoch jetzt schon, dass die Ausgleichsbemühungen den Schaden, der angerichtet wird, nicht wettmachen können.

EACOP ein Risikofaktor für das Leben von Millionen

Nach der Förderung und um den Weitertransport möglich zu machen, muss das Rohöl auf 50 bis 70 Grad Celsius erhitzt werden, da der niedrige Schwefelanteil das Öl sonst sehr zähflüssig machen würde. Die Temperatur des Öls muss über die gesamte Strecke von 1 444 km konstant mindestens 50 Grad Celsius betragen. Das erfordert den Bau einer beheizten Pipeline, was wiederum mit einem enormen Energieaufwand verbunden ist. Dadurch werden Energiearmut und Stromausfälle steigen, was die ugandische und tansanische Bevölkerung ausbaden muss. Nicht zu vernachlässigen sind auch die zusätzlichen Emissionen, die durch die Beheizung einer solch langen Pipeline ausgestoßen werden.

Der Pipelineverlauf bis zur tansanischen Küste führt vorbei an zahlreichen Naturschutzgebieten, Flüssen, dem Victoriasee und tektonisch aktiven Zonen. Für die Menschen rund um den Victoriasee stellt die East African Crude Oil Pipeline eine reale Bedrohung für ihre Lebensgrundlage dar. Bei einem Öl-Leck würden 4 Millionen Menschen, die auf Fischfang im größten See Afrikas angewiesen sind, direkt betroffen sein. Die Befürchtungen, dass austretendes Öl in den Victoriasee gelangt, sind groß und die Folgen nicht nur hinsichtlich der Lebensmittelversorgung und dem Einkommen vieler Fischer sind beträchtlich. Auch muss davon ausgegangen werden, dass es zu großflächiger und vor allem langfristiger Grundwasserverschmutzung im Bereich rund um den See kommen würde, wovon wiederum 40 Millionen Menschen betroffen wären, also ungefähr so viele, wie jeder zweite Einwohner Deutschlands. Die Wahrscheinlichkeit für Öl-Lecks in der Pipeline ist zusätzlich erhöht, da diese durch den Afrikanischen Grabenbruch, auch „Rift Valley“ genannt verläuft. Es kann durch die plattentektonische Prozesse entlang des Grabenbruchs immer wieder zu Erdbeben oder sogar neuen Rissen kommen, die Schäden an der Pipeline verursachen. Das Risikopotential für Ölverschmutzungen ist nochmal gesteigert, da „Offshore-Anlagen der EACOP an der tansanischen Küste in einer Zone mit hohem Tsunamirisiko errichtet werden“5. Auch geschützte Meeresgebiete wären dadurch gefährdet, so das EU-Parlament in seiner Resolution gegen die EACOP.

Geschönte Zahlen

Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und wirtschaftliche Entwicklung für Ostafrika, das ist das Versprechen von TotalEnergies und den Regierungen Ugandas und Tansanias, aber stimmt das wirklich und wie viel ist dran an den 150 000 neuen Arbeitsplätzen, die geschaffen werden sollen?

Die Gesamtinvestitionssumme des Projektes, welches die beiden Ölfelder Kingfisher und Tilenga sowie den Bau der EACOP umfasst, beträgt 10,5 Milliarden US-Dollar. Davon entfällt mit 4,5 Mrd. USD der größte Teil auf das Tilenga-Ölfeld, gefolgt von der EACOP mit 3,5 Mrd. USD und in das Kingfisher-Ölfeld sollen 2,5 Mrd. USD fließen. Die Uganda National Oil Company (UNOC), hält an allen drei Projekten 15%. Fünfzehn weitere Prozent, allerdings nur an der EACOP, gehören dem tansanischen Staat durch die Beteiligung der Tanzanian Petroleum Development Corporation (TPDC). TotalEnergies hat einen Anteil von 56,67% und die China National Offshore Oil Corporation (CNOOC) einen Anteil von 28,33% bezogen auf das gesamte Projekt. Hinter TotalEnergies und der China National Offshore Oil Corporation verbergen sich jedoch weitaus mehr Unternehmen, da beide Konzerne an der Börse gelistet sind. Mehrheitseigner bei CNOOC ist der chinesische Staat, welcher 64,4% des Konzerns besitzt. Hinzu kommen bei beiden Global Playern Vermögensverwaltungsgesellschaften wie BlackRock oder Vanguard. Größerer Anteilseigner bei TotalEnergies ist unter anderem die Norges Bank, welche den norwegischen Staatsfonds verwaltet. Die Norges Bank verwaltet das Geld aus dem norwegischen Öl- und Gassektor und soll es unter nachhaltigen Gesichtspunkten anlegen, sodass auch zukünftige Generationen davon profitieren können. Auf ihrer Website schreiben sie „It is the goal of our responsible investment management for our portfolio companies to align their activities with global net zero emissions in line with the Paris Agreement.“7 und sprechen sich gleichzeitig für Anti-Korruption, Biodiversität und den Schutz von Ökosystemen bei Investments aus. Gleichzeitig investieren sie ihr Geld indirekt, durch ihre Beteiligung an TotalEnergies, in Projekte wie die EACOP, welche nicht nur enorm viele Emissionen ausstoßen, sondern auch einzigartige Naturräume durch ihren Bau zerstören wird. Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie letztlich das Geld von ganz vielen Anlegern, durch Banken oder Fonds, unbewusst in solche Projekte fließt.

TotalEnergies und auch CNOOC gehen in ihren Berechnungen von 150 000 neuen Arbeitsplätzen aus, welche durch die Erschließung der Ölfelder und den Bau der EACOP entstehen sollen. Fragt man die ugandische Ölbehörde PAU, kann sogar mit 160 000 neuen Jobs gerechnet werden. Schaut man sich jedoch genauer an, auf wen die Arbeitsplätze entfallen und wie langfristig sie bestehen, kommen schnell Fragen an der Glaubwürdigkeit der Versprechen auf. Gehen wir von den Zahlen von Total aus, entstehen 15 000 direkte Arbeitsplätze, wovon jedoch langfristig nur etwas mehr als 20% erhalten bleiben werden. Bei den 35 000 indirekten Arbeitsplätzen, die zum Beispiel in der Zulieferindustrie geschaffen werden, sieht es ähnlich aus und am Ende der Bauarbeiten verbleiben etwa 8 000 Stellen. Von den 100 000 induzierten Arbeitsplätzen, werden nach dem voraussichtlichen Bauabschluss 2025/26 nur noch rund ein Viertel übrig bleiben. Zumal die induzierten Arbeitsplätze nur entstehen, wenn die Öleinnahmen von Uganda und Tansania in das eigene Land reinvestiert werden. Optimistisch gesehen bleiben für längere Zeit, und das ist der Punkt, der bei Arbeitsstellen relevant ist, noch etwas mehr als 35 000 Arbeitsplätze bestehen. Im Vergleich zu den 150 000 versprochenen Arbeitsplätzen ist das nur noch ein gutes Fünftel. Relevant sind hierbei auch noch die Rechercheergebnisse des Tagesspiegels, der herausfand, dass bei den direkten Arbeitsplätzen nur 57% auf ugandische Arbeiter entfallen 8. Bezieht man das nun auch noch in die Berechnungen mit ein, wird klar, dass die 150 000 Arbeitsplätze für Uganda und Tansania doch eine sehr utopische und geschönte Zahl sind. Ugandas Regierung hat sich weiterhin auf die Fahne geschrieben, 40% des Projektwertes im eigenen Land zu halten. Dies sehen Expertinnen und Experten jedoch als realitätsfern an, da es in Uganda nicht ausreichend große Unternehmen gibt, um Aufträge mit solch einer Tragweite auszuführen. Der Tagesspiegel hat außerdem ermittelt, dass bis zum 1. Quartal 2022 bereits Aufträge im Wert von 6 Mrd. USD sicher vergeben wurden. Davon entfielen nur 19%, also 1,1 Mrd. USD auf ugandische Firmen und selbst das heißt nicht, dass dann das Geld in Uganda verbleibt. Ein Unternehmen darf sich als ugandisches Unternehmen bezeichnen, wenn es in Uganda offiziell registriert ist, dabei ist es irrelevant, dass oftmals ausländische Firmen Mehrheitsanteilseigner sind. Es müssen nur 70% der Arbeitnehmer ugandische Staatsbürger sein. Hierbei bedienen sich jedoch zahlreiche Firmen eines Tricks, denn es zählt ausschließlich die Zahl an Arbeiterinnen und Arbeitern. Das heißt, dass die Position eines LKW-Fahrers genauso gezählt wird wie die eines leitenden Ingenieurs. Die Führungskräfte und entscheidenden Stellen mit Steuerfunktion werden also einfach von ausländischen Arbeiterinnen und Arbeitern aus Industrie- oder Schwellenländern, in diesem Fall von China, besetzt. Uganda ist also noch weit davon entfernt, sein Ziel, 40% des Projektwertes im Land halten zu wollen, zu erreichen.

Auffällig ist jedoch, dass Bauaufträge oftmals an den amtierenden Präsidenten Yoweri Museveni, nah stehende Verwandte oder ehemalige Regierungsbeamte vergeben werden. Deshalb ist davon auszugehen, dass Vetternwirtschaft im Spiel ist. Des Weiteren wurde der Großteil der Arbeitsaufträge im Enteignungs- und Umsiedlungsbereich, die möglicherweise auch juristisch heikel sein könnten, an ugandische Firmen vergeben. Lokale Kritiker sehen dies nicht als Zufall und vermuten, dass die großen Firmen die „schmutzigen“ Jobs lieber an lokale Unternehmer*innen abtreten, damit sie vor Protesten und Klagen geschützt sind.

#stopEACOP – Internationaler Protest von Erfolg und dem Versuch Aktivisten zum Schweigen zu bringen

Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, dass die Ölpipeline ein Projekt von großer Bedeutung für die ugandische und tansanische Regierung ist. Vor allem in Uganda, aber auch in Tansania müssen Aktivisten und Aktivistinnen, die gegen die Pipeline protestieren, mit Repressalien rechnen. Das Ausmaß reicht dabei von Bedrohungen, über unbegründete Festnahmen bis hin zum Verbot von Umweltgruppen.

Dickens Kamugisha, Umweltaktivist bei der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation AFIEGO (Africa Institute for Energy Governance) sagte dazu: „Wer versucht, den Menschen zu helfen, die Herausforderungen, die Risiken und die Bedrohungen zu verstehen, wird mundtot gemacht“1. Die Aktivisten und Aktivistinnen von AFIEGO ließen sich jedoch nicht einschüchtern und kämpften weiter. Für ihren Einsatz wurden sie 2022 mit dem alternativen Nobelpreis geehrt, in der Begründung der Jury heißt es dazu: “Mithilfe internationalen Drucks will AFIEGO den Bau der Ostafrikanischen Rohöl-Pipeline EACOP von Uganda nach Tansania stoppen. Die Preisjury ehrt AFIEGO "für den mutigen Einsatz für Klimagerechtigkeit und die Rechte betroffener Gemeinden, die durch ausbeuterische Energieprojekte in Uganda verletzt werden"."9

Zahlreiche afrikanische und auch international bekannte Umweltaktivist*innen beteiligen sich am Protest unter dem #stopEACOP und auch der Papst traf sich im März 2022 mit einer Delegation der #stopEACOP Kampagne, unter anderem bestehend aus den afrikanischen Aktivist*innen Vanessa Nakate, Diana Nabiruma, Hilda Flavia Nakabuye und Maxwell Atuhura. “Today I was honored to meet Pope Francis. I told him French oil giant TotalEnergies’ EACOP will destroy nature and harm people in Uganda and far beyond. As Pontifex says: ‘We must take care of our common home.’ We cannot drink oil.”10 schrieb Nakate am 23.03.2022 auf ihrem Twitterkanal.

Der internationale Protest hat vor allem Aufmerksamkeit für das Thema geschaffen, aber auch zahlreiche Banken und Versicherer haben sich aufgrund des internationalen Drucks von dem Projekt abgewandt. Die erschwerte Finanzierung und Absicherung der EACOP sind ein Erfolg für die Aktivist*innen, allerdings konnte das den Baubeginn genauso wenig verhindern, wie die Petition mit über 1 Millionen Unterschriften gegen das Vorhaben von TotalEnergies.

Auch eine Klage gegen TotalEnergies, wegen ungenügender Pläne zum Schutz von Mensch und Umwelt beim Bau der EACOP, wurde am 28.02.2023 von einem französischen Gericht abgewiesen mit der Begründung, dass von Klägerseite nicht ausreichend dargestellt wurde, warum die existierenden Maßnahmen nicht ausreichend seien. Der Kampf wird deshalb weitergehen, denn: “The EACOP is a climate bomb threatening humanity's survival.”10 Nakabuye Hilda Flavia, Klimaaktivistin und Gründerin von Fridays for Future Uganda.

Die Aktivist*innen fordern auch von der französischen Regierung sich eindeutig gegen den Bau der Pipeline auszusprechen. Dazu sagte Vanessa Nakate am 16. März diesen Jahres: „I’ve come here to ask the French government to stand with us, to stand with the people, and with the planet, to make a decision about whether they are in support of the EACOP project in my country or not“11.

Kann der Bau der EACOP jetzt noch gestoppt werden? Und wenn ja, wie?

Diese Frage haben wir von der DTP am Freitag, dem 21.04.2023, so ähnlich an die Teilnehmer*innen des “Climate Panel #StopEACOP - Impacts of the Mega Pipeline” weitergegeben. Diese Onlineveranstaltung wurde von der Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion veranstaltet und Teilnehmer waren Kathrin Henneberger (Obfrau Ausschuss wirtschaftliche Zusammenarbeit & Entwicklung, Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion), Diana Nabiruma (leitende Programm- und Kommunikationsbeauftragte am Africa Institute for Energy Governance AFIEGO), Baraka Lenga (Wissenschaftler für Klimawandel aus Tansania), Nakabuye Hilda Flavia (STOP-EACOP Kampagne und Klimagerechtigkeitsaktivistin aus Uganda), Malte Gallée (ehemaliger DTP-Freiwilliger, Ausschuss für Umweltfragen, Fraktion der Grünen im Europaparlament) und Regine Richter (Urgewald e.V., Expertin vom Africa Institute for Energy Governance AFIEGO).

Besonders wichtig sei es, den Betroffenen vor Ort eine Stimme zu geben, sodass sie auf Missstände aufmerksam machen können. Zudem seien Sensibilisierungskampagnen für die lokale Bevölkerung wichtig, denn diese müsste über die Risiken der Ölbohrungen und der Pipeline aufgeklärt werden. Die größeren Hebel liegen jedoch in der Förderung von Alternativen, einem neuen Gesetzentwurf und in der Unterbindung jeglicher Art von Finanzierung. Die Experten waren sich einig, dass der Ausbau von erneuerbaren Energiequellen unumgänglich sei, um die Energiesicherheit zu garantieren. Wind-, Solar- und Wasserkraft würden eine nachhaltige Alternative zu fossilen Energieträgern darstellen. Hierbei müsse jedoch zunächst einmal Aufklärung in der Bevölkerung betrieben werden, sodass die Menschen dort abgeholt werden, wo sie sind und die Entwicklungen auch mittragen.

Zudem arbeitet die EU an einem Gesetz, welches die unternehmerische Sorgfaltspflicht in Lieferketten sicherstellen soll. Sobald europäische Unternehmen außerhalb der EU tätig sind, soll dieses Gesetz greifen und dafür sorgen, dass die Menschenrechts- und Umweltstandards eingehalten werden. Mit diesem Gesetz wären Konzerne wie TotalEnergies dazu verpflichtet, sicherzustellen, dass bei ihren Projekten und in ihren Lieferketten alle Standards gewahrt werden. Der wirkungsvollste Mechanismus ist jedoch, den Geldfluss in das Projekt zu begrenzen, in dem man die Finanzierung unterbindet. Deutschland wird sich nicht an der Finanzierung der EACOP beteiligen, so wurde es auf der Weltklimakonferenz COP27 im Oktober 2022 beschlossen. Von großer Bedeutung ist hierbei jedoch, dass es weder eine direkte noch indirekte Finanzierung des Bauvorhabens gibt. Aufgrund von öffentlichem und politischem Druck haben bereits 24 Privatbanken die Finanzierung abgelehnt, darunter auch die deutsche Bank. Malte Galée, heute EU-Parlamentsabgeordneter für die Grünen und ein früherer DTP-Freiwilliger, sagte dazu: “We still still have chances to stop EACOP by making sure that EU banks will not invest in this project, as they promised”.

Fazit

Die EACOP ist und bleibt eine weitere Investition in Nicht-Erneuerbare Energien und damit eine Investition in eine Zukunft, in der die Erde unter den extremen Folgen des Klimawandels leiden wird. “We can't let oil companies steal away our present and future, we are standing up and speaking up against all these injustices. We are calling on everyone to join us in stopping such oil projects because we believe that the power of the people is stronger than the people in power.”6 Nakabuye Hilda Flavia, Klimaaktivistin und Gründerin von Fridays for Future Uganda.

[1] Schlindwein, S. (2023, 14. März). Erdölförderung in Uganda: Lange Leitung. TAZ Verlags- und Vertriebs GmbH. https://www.taz.de/Erdoelfoerderung-in-Uganda/!5914097/ [2] Abunuwasi Mission Eine Welt (2023, März). Tansania Information. Referat Afrika Mission Eine Welt. https://www.tansania-information.de/upload_tzinfo/TZINF0323.pdf [3] Muliisa, P. (o. D.). The East African Crude Oil Pipeline Project and the energy transition debate – UNOC: Uganda National Oil Company. https://www.unoc.co.ug/the-east-african-crude-oil-pipeline-project-and-the-energy-transition-debate/ [4] Amann, A. (2022, 21. Juli). EACOP looks more and more like corporate colonialism” – Omar Elmawi. Heinrich-Böll-Stiftung. https://ke.boell.org/en/2022/07/21/eacop-looks-more-and-more-corporate-colonialism-omar-elmawi [5] Zdechovský, T. et al. (2022, 14. September) JOINT MOTION FOR A RESOLUTION on violations of human rights in Uganda and Tanzania linked to investments in fossil fuels projects | RC-B9-0409/2022 | European Parliament. European Union. https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/RC-9-2022-0409_EN.html [6] Rfi, C. O. W. (2022, 17. März). African youth activists in French National Assembly over Total’s oil pipeline in East Africa. RFI. https://amp.rfi.fr/en/africa/20220317-african-youth-activists-in-french-national-assembly-over-total-s-oil-pipeline-in-east-africa [7] Responsible investment | Norges Bank Investment Management. (o. D.). Norges Bank Investment Management. https://www.nbim.no/en/the-fund/responsible-investment/ [8] Breher, N. et al. (2022, 22. Juni). Wer profitiert vom neuen Öl?. Tagesspiegel. https://interaktiv.tagesspiegel.de/lab/eacop-pipeline-durch-ostafrika-wer-profitiert-vom-neuen-oel/ [9] Rundfunk, B. (2022, 29. September). Alternativer Nobelpreis 2022: Anerkennung für den Kampf gegen kaputte Systeme. Bayerischer Rundfunk. http://www.ardalpha.de/wissen/nobelpreis/alternativer-nobelpreis-2022-100.html [10] Flavia, N. H. (2023, 24. März). Nakabuye Hilda Flavia on LinkedIn: Join us in spreading awareness about the East African Crude Oil Pipeline https://aw.linkedin.com/posts/nakabuye-hilda-flavia-546b39250_join-us-in-spreading-awareness-about-the-activity-7044881356568367105-Qflj