Hier spielt die Musik – Doch welche genau?

Musik spielt in Tansania eine besondere Rolle. Sie ist allgegenwärtig. In Dallas, im Büro, in den Straßen - überall sind rhythmische, meist mit Gesang versehene und durchweg fröhlich klingende Lieder zu hören. Die eine tansanische Musik gibt es jedoch nicht, denn wie das Land selbst, ist auch die Musik sehr vielfältig. So gibt es laut BASATA (Baraza la Sanaa la Taifa = Nationaler Kunstrat) in Tansania eine stetige musikalische Weiterentwicklung und aktuell sechs (Haupt-)Musikgenres, welche wir im Folgenden vorstellen werden (Askew, 2002; Hutchinson, 2018):

Sauti za Busara Sauti za Busara Musikfestival [Foto von Matteo Kitenge, Private picture]

Musik spielt in Tansania eine besondere Rolle. Sie ist allgegenwärtig. In Dallas, im Büro, in den Straßen - überall sind rhythmische, meist mit Gesang versehene und durchweg fröhlich klingende Lieder zu hören. Die eine tansanische Musik gibt es jedoch nicht, denn wie das Land selbst, ist auch die Musik sehr vielfältig. So gibt es laut BASATA (Baraza la Sanaa la Taifa = Nationaler Kunstrat) in Tansania eine stetige musikalische Weiterentwicklung und aktuell sechs (Haupt-)Musikgenres, welche wir im Folgenden vorstellen werden (Askew, 2002; Hutchinson, 2018):

Das erste Genre trägt den Namen „Ngoma“, was übersetzt so viel wie Tanz, Trommel oder Feier bedeutet. „Ngoma“ beschreibt einen ost- und südafrikanischen Musikstil, der in Tansania bei Festen, Ritualen oder anderen besonderen Lebensereignisse eine Rolle spielt (Sanga, 2019; Stone, 2008). Es kann eine Vielzahl von Instrumenten eingesetzt oder auch nur acapella gesungen werden. Am häufigsten ist jedoch die Verwendung von Trommeln (Stone, 2008). Ngoma gilt als traditionelle Musik, die von Generation zu Generation weitergegeben wurde und in der Kolonialzeit sogar verboten war (Lihamba, 2004). Nach 1985 wurde der Stil einerseits moderner, andererseits wurde die Weitergabe über die Generationen hinweg immer seltener. Dazu kommt, dass aufgrund von Jagdverboten, die Herstellung der traditionellen Ngoma-Instrumente nicht mehr möglich ist (Sanga, 2013).

Als nächstes ist „Taarab“ an der Reihe. Der Name für diese Musikrichtung ist aus dem Arabischen und kann sowohl mit Heiterkeit als auch mit Vergnügen übersetzt werden. Die im 19. Jahrhundert auf dem Sansibar-Archipel entstandene Musik ist heutzutage entlang der Küste in Tansania und Kenia verbreitet. Es ist eine Art Bühnenmusik bei der gedichtähnliche Texten auf Swahili vorgetragen werden. Thematisch geht es dabei in der Regel um die Liebe (Stone, 2008). Begleitet wird der Gesang von einer Band, die sich überwiegend aus Streichinstrumenten zusammensetzt (Njogu & Maupeu, 2007). Taarab ist von Musiktraditionen des kontinentalen Afrikas, des arabischen Raums und des indischen Subkontinents beeinflusst. Der erste Star des Genres, Siti Binti Saad verhalf 1928 dem Genre zu zunehmender Bekanntheit (Khamis, 2005). Ursprünglich saß das Publikum bei den Konzerten und hörte ausschließlich zu. Erst später etablierte es sich, dass die Zuhörer auch tanzen, klatschen und singen. Mit den Unabhängigkeitsbewegungen der 1950er Jahre begann Taarab zudem politische Themen lyrisch aufzugreifen (Edmondson, 2007).

„Kwaya“ ist eine Verballhornung ins Swahili vom englischen Wort Choir, sprich Chor (Stone, 2008). Dieser Musikstil, spielt eine große Rolle im tansanischen Alltag, denn er wird in der Schule, in der Kirche oder auch bei politischen Kundgebungen praktiziert (Edmondson, 2007). Ursprünglich war Kwaya eine europäische Musikform, die von den Europäern nach Tanganjika gebracht wurde. Entsprechend wurde ausschließlich in europäischen Sprachen gesungen und die Begleitung beschränkte sich auf europäische Instrumente (Edmondson, 2007). Nach der Unabhängigkeit 1961 erkannte die TANU-Regierung die Nützlichkeit von Kwaya für säkulare Zwecke an, wie die Schaffung einer nationalen Identität und Förderung von Bildung (Edmondson, 2007). So blieb kwaya wesentlicher Bestandteil in den Schulen. Die zentrale Rolle, die Kwaya nach wie vor in der Kindheit und im religiösen Leben einnimmt, hat dazu beigetragen, dass das Genre in Tansania sehr einflussreich ist (Edmondson, 2007). Die meisten Sängerinnen und Sänger lernen schon in jungen Jahren in Chören zu singen, und Kwaya wird häufig in anderen Musikformen verwendet (Sanga, 2006).

Dansi“ ist eine Form von Jazz oder Bandmusik, die für ein tanzendes Publikum gespielt wird und wurde interspieriert durch Soukous und Rumba aus der Kongo-Region. Ab 1930ern kam der Musikstil nach Dar es Salaam. Die Verbreitung von Dansi führte dazu, dass immer mehr Tanzclubs in den großen Städten eröffnet wurden (Suriano, 2011). Nach der Unabhängigkeit machte die Ein-Parteien-Regierung der TANU (später CCM) die Musik zu einem zentralen Aspekt der tansanischen Nationalidentität (Stone, 2008). Vater der Nation Julius „Mwalimu“ Nyerere sprach bei seiner Amtseinführungsrede davon, sich auf afrikanische, statt auf westliche Traditionen konzentrieren zu wollen. Dabei stellte er Ngoma und Dansi gegenüber (Twaddle, 1986). In der Praxis haben jedoch die Künstler, die Öffentlichkeit als auch die TANU-Regierung sowohl den traditionellen Tanz als auch den modernen Jazz aufgegriffen. Sie nutzten, kombinierten und erschufen ihn neu um Nationalismus und Ujamaa (afrikanischer Sozialismus) in der neuen Nation zu etablieren und zu fördern (Askew, 2002). Das „Swahili Jazz" ist eine Mischung aus Beats und Stilen kubanischer, europäischer, lateinamerikanischer und afrikanischer Musik. Der Swahili Jazz gab Tansania ein Gefühl der Unabhängigkeit und der Zusammengehörigkeit als Land (Askew, 2002).

Singeli“ ist ein Musikgenre, das Mitte der 2000er Jahre in Kinondoni im Nordwesten von Dar es Salaam entstand und sich seit den späten 2010er Jahren in ganz Tansania verbreitet hat (Hutchinson, 2018). Singeli ist eine Ngoma-Musik bei der ein MC (Master of Ceremonies) zu schneller Taarab-Musik, oft mit einer Geschwindigkeit von 200-300 BPM (Beets per Minute), auftritt. Männliche und weibliche MCs sind fast gleich häufig anzutreffen. Die Stile der beiden Geschlechter unterscheiden sich jedoch in der Regel erheblich. Männliche MCs treten häufig mit schnellem Rap auf, während weibliche MCs meist Kwaya spielen. Besonders ist auch die Entstehung dieser Musikrichtung. So begannen nämlich Frauen in den frühen 2000er „vigodoro“, d. h. nächtelange Partys, für ihre weiblichen Familienmitglieder und Freunde zu organisieren. Bei diesen Partys wurden Kassetten mit Taarab-Musik abgespielt, zu denen getanzt wurde. Als die Vigodoro-Partys immer größer wurden, lud man MCs ein, die zu den Kassetten auftraten (Mukandabvute & Gores, 2022).

Zu guter Letzt haben wir „Bongo Flava“. Bongo Flava ist eine tansanische Hip-Hop-Bewegung, die in den 1990er Jahren entstand. Diese Form der Popmusik, hat sich in den letzten drei Jahrzehnten zu einem festen Bestandteil von Nationalkultur und Gesellschaft entwickelt. Der Name kommt von „Ubongo“, was Gehirn bedeutet und gleichzeitig der Spitzname von Dar Es Salaam ist. Man braucht eben Hirn und Intelligenz, um in dieser Riesenstadt durchzukommen. Auch der englische Begriff „Flavour“ findet sich darin wieder. Es ist also der Sound, der Geschmack der Stadt. Der Musikstil verbindet afro-amerikanischen Hip-Hop mit Elementen aus R&B und Reggae, sowie traditionellen und lokalen Musikstilen (Chazarenc, 2014). Diese Mischung der Stile sorgt dafür, dass Bongo Flava sowohl bei Frauen als auch bei Männern beliebt, was zum anhaltenden Erfolg der Musikrichtung beiträgt (Englert, 2008).

Die Musikkultur in Tansania ist lebendig und divers. Jährlich findet auch auf Sansibar das „Sauti za Busara“ statt, ein großes Musikfestival im historischen Fort in Stone Town. An jenen Tagen feiert Tansania nicht nur seine eigene Musikkultur, sondern wird auch Gastgeber für Künstler aus ganz Afrika und jenseits.


Quellenverzeichnis: Askew, K. (2002). Performing the Nation: Swahili Music and Cultural Politics in Tanzania. University of Chicago Press. Chazarenc, D. (2014). Bongo Flava. Entstehung und Entwicklung der tansanischen Hip-Hop Bewegung. [Studienarbeit, Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar]. GRIN. https://www.grin.com/document/314458 Edmondson, L. (2007). Performance and Politics in Tanzania: The Nation on Stage. In P. McNaughton (Hrsg.), Theater Research International (S. 318-333). Indiana University Press. Englert, B. (2008). Ambiguous Relationships: Youth, Popular Music and Politics in Contemporary Tanzania. Vienna Journal of African Studies, 8(14), 71-96. Hutchinson, K. (2018, 17. Dezember). 'This cuts across society': how singeli music went from Tanzania to the world. The Guardian. https://www.theguardian.com/music/2018/dec/17/this-cuts-across-society-how-singeli-music-went-from-tanzania-to-the-world Khamis, S. A. M. (2005). Clash of interests and conceptualisation of taarab in East Africa. Swahili Forum, 12(1), 133-159. Lihamba, A. (2004). A History of Theater in Tanzania. In M. Banham (Hrsg.), A History of Theater in Africa (S. 223-247). Cambridge University Press. Mukandabvute, A. A. & Gores, M. (2022). Athari za Kimaadili Zitokanazo na Nyimbo za Muziki wa Singeli nchini Tanzania. MULIKA Journal, 40(2). Njogu, K. & Maupeu, H. (2007). Songs and Politics in eastern Africa. African Books Collective. Sanga, D. N. (2013). Traditional Dances and Bongo Fleva: a Study of Youth Participation in Ngoma Groups in Tanzania. Swahili Forum, 20(1), 67-84. Sanga, D. N. (2019). Global Impacts upon Ngoma. Utafiti, 14(1), 126-144. https://doi.org/10.1163/26836408-14010007 Sanga, I. (2006). Composition processes in popular church music in Dar es Salaam, Tanzania. Ethnomusicology Forum, 15(2), 247-271. https://doi.org/10.1080/17411910600915406 Stone, R. (2008). The Garland Handbook of African Music. Routledge. https://doi.org/10.4324/9780203927878 Suriano, M. (2011). Hip-Hop and Bongo Flavour Music in Contemporary Tanzania: Youths' Experiences, Agency, Aspirations and Contraditions. Africa Development, 36(3-4), 113-126. https://doi.org/10.1080/00020184.2011.628800 Twaddle, M. (1968). The Words of Nyerere - Freedom and Unity/Uhuru na Umoja: A Selection from Writings and Speeches 1952–65. The Journal of African History, 9(4), 668–669. http://doi.org/10.1017/S0021853700009142