Tourismus auf Sansibar – Trauminsel mit Konfliktpotenzial?

In diesem Blogartikel möchten wir ein wenig hinter die Kulissen blicken: Welche Auswirkungen hat der Tourismus auf die lokale Bevölkerung? Wie wird mit der Natur und ihren Ressourcen umgegangen? Aber auch: Was könnte der Tourismus - nicht nur auf Sansibar - für den Umwelt- und Naturschutz leisten? Gibt es bereits Hotels, Lodges oder Projekte, die als Vorbilder dienen könnten?

Chumbe Island Chumbe Island Eco-bungalows auf Chumbe Island [Foto von CHIPOC, Chumbe Island Coral Park Ltd.]

Sansibar – ein Ort bekannt für paradiesische Strände, Delfine in türkisblauem Meer, faszinierende Historie und eine Fülle an leckeren, lokal gefischten Meeresfrüchten. Schlichtweg eine absolute Trauminsel für den nächsten Sommerurlaub. Oder? Das Bild, das Marketingagenturen und Hotels gerne zeichnen, um besonders Tourist_innen aus Europa anzulocken, entspricht nur teilweise der Realität, die sich im Zuge des rapiden Wachstums des Tourismussektors vor allem in den letzten Jahren verändert hat.

In diesem Blogartikel möchten wir ein wenig hinter die Kulissen blicken: Welche Auswirkungen hat der Tourismus auf die lokale Bevölkerung? Wie wird mit der Natur und ihren Ressourcen umgegangen? Aber auch: Was könnte der Tourismus - nicht nur auf Sansibar - für den Umwelt- und Naturschutz leisten? Gibt es bereits Hotels, Lodges oder Projekte, die als Vorbilder dienen könnten?

Natürlich hat der Tourismus enorm viel Geld in die Kassen gespült, Arbeitsplätze und Infrastrukturen geschaffen und Sansibar weltweit als Urlaubsdestination bekannt gemacht. Sansibar, mit einer Bevölkerung von 1.889.773 (Stand 2022) [1], verzeichnete im Jahr 2022 548.503 Tourist_innen [2] (Daily News, 2023). Allein zwischen 2020 und 2022 stieg der Anteil des Tourismussektors am Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 16% auf 29,2% [3] (The Citizen, 2023), was noch einmal hervorhebt, welche wirtschaftliche Bedeutung der Tourismus für die gesamte Insel hat.

Aber hier offenbaren sich auch einige Herausforderungen, vor die die Insel angesichts des Tourismus-Aufschwungs gestellt wird. Hotels, Lodges und touristische Luxusangebote haben einen immensen Bedarf an Wasser, Elektrizität, Importprodukten und Infrastruktur, welche aber nicht in diesem Ausmaß bereitgestellt werden können und somit in Konkurrenz mit den von der lokalen Bevölkerung benötigten Ressourcen treten können. Ergänzt wird dies durch die Tatsache, dass hauptsächlich ausländische Investor_innen auf dem Markt für Landbesitz und Immobilien mitmischen [4] (The Citizen, 2022). Des Weiteren werden 80% der für den Tourismus benötigten Güter aus dem Ausland importiert [5] (The World Bank, 2022), wodurch der Nutzen für die lokale Bevölkerung meist äußerst gering ausfällt.

Auch wir haben einiges erlebt, das den Tourismus hier auf Sansibar nicht gerade in ein gutes Licht rückt. Vor kurzem wurden uns die soziale Unterschiedung, die teilweise zwischen Tourist_innen und Sansibaris gemacht werden, wieder bewusst, als Eli sich mit drei Freund_innen zum Schwimmen am öffentlichen Stadtstrand von Stone Town verabredete. Drei von ihnen wurden aufgrund ihrer Hautfarbe als Tourist_innen gelesen, weshalb sie sich problemlos am Strand aufhalten durften. Ihr Freund Abdul hingegen, Sansibari, der sich etwas später dazu gesellte, wurde vom Sicherheitspersonal des angrenzenden Hotels nicht durchgelassen. Sie mussten ihn am Einlass abholen und erklären, dass er ein Freund von ihnen ist. Dies ist aus unserer Erfahrung heraus kein Einzelfall, und diese Beobachtungen werfen bei uns die Frage auf: Gibt es da einen potenziellen negativen Einfluss, den der Tourismus auf die lokale Bevölkerung haben kann?

Aber nicht nur der Umgang mit der einheimischen Bevölkerung sollte diskutiert werden. Auch die einzigartige Natur der Insel leidet unter dem Tourismus-Aufschwung. Insbesondere die Küstengebiete und Korallenriffe stehen unter enormem Druck. Die fragilen Ökosysteme werden durch unsachgemäß entsorgten Müll, Überfischung oder Chemikalien im Wasser bedroht. Teilweise werden auch ganze Habitat-Strukturen, wie Korallenriffe, durch die Konstruktion neuer touristischer Infrastruktur zerstört und damit die essenziellen Lebensräume von Wildtieren immer weiter eingeschränkt.

Es ist jedoch wichtig, auch die Chancen im Blick zu behalten, die der Tourismus bieten kann, wenn Achtsamkeit gegenüber Menschen und Natur zu einem grundlegenden Prinzip dieses Wirtschaftssektors wird.

Ein positiver Aspekt des Tourismus ist seine Fähigkeit, Bildungsinitiativen zu unterstützen, insbesondere solche, die die Bedeutung des Naturschutzes vermitteln. Durch finanzielle Mittel, die aus Tourismuseinnahmen generiert werden, können Bildungsprogramme entwickelt werden, die sowohl Tourist_innen als auch lokale Gemeinschaften über die Bedeutung des Erhalts der Umwelt informieren. Darüber hinaus könnten Förderprogramme dazu beitragen, die finanziellen Hürden durch Reisekosten zu den Nationalparks zu senken und somit der Bevölkerung den Zugang zu diesen einzigartigen Naturschätzen ermöglichen.

Durch die Notwendigkeit die Umweltbelastung des Tourismus auf Sansibar zu minimieren, liegt das Augenmerk auf der Förderung erneuerbarer Energien, Reduktion und Wiederverwertung von Abfall, sowie Wassereffizienz und Kooperation mit der lokalen Bevölkerung, um Anreize für umweltfreundlicheren Tourismus zu schaffen. Investitionen in Recyclingprogramme, Verwendung von biologisch abbaubaren Gebrauchsgegenständen, aber auch das Vermeiden von gefährdeten Fischarten auf den Speisekarten und möglichst lokal verfügbare Baumaterialien sind Stellschrauben, an welchen der Tourismussektor drehen kann, um seinen ökologischen Fußabdruck zu verringern.

Es gibt bereits Hotels, Lodges und Initiativen auf Sansibar, die als Vorbilder auf dem Weg zu nachhaltigerem Tourismus dienen können, aber nur wenige davon praktizieren den sogenannten “Ökotourismus” [6]. Der Unterschied zwischen den Begriffen “Ökotourismus” und “nachhaltigem Tourismus” ist, dass Ökotourismus-Initiativen den Natur- und Umweltschutz als oberste Priorität im Betriebsablauf statuiert haben und jede Aktivität oder Anschaffung auf dessen Umweltverträglichkeit geprüft wird. An dem non-profit Unternehmen Chumbe Island Coral Park Ltd., bei dem wir, Natalie und Eli, unseren Freiwilligendienst leisten, kann man sehen, dass sich dieser Ansatz sowohl für das Unternehmen als auch für die Natur und die Menschen in der Umgebung auszahlt.

Der Chumbe Island Coral Park liegt etwa 8km vor der Westküste Ungujas (Sansibars Hauptinsel) und ist der älteste privat gemanagte Meeresschutzpark der Welt. Zu 100% durch Ökotourismus finanziert, gelingt es Chumbe Island seit 30 Jahren nicht nur eines der biodiversesten Korallenriffe des gesamten Westindischen Ozeans in seiner Struktur zu erhalten und einer Vielzahl an Meerestieren einen Zufluchtsort zu bieten, sondern auch die lokalen Communities zu unterstützen. Seit Beginn des Projekts besuchten bereits 12.570 Schüler_innen und kommunalen Interessenvertreter_innen die Insel, um die einzigartige Natur, das Ökotourismus-Konzept und die Bedeutung des Naturschutzes kennenzulernen. Die Kosten dafür werden von Chumbe Island übernommen, was ohne die Einnahmen aus dem Tourismus nicht möglich wäre. Hinzukommt, dass über 90% der Mitarbeitenden aus Sansibar stammen und beispielsweise ehemaligen Fischern eine alternative Einkommensquelle als Ranger oder Bootsführer geboten wird. Auch für die Gäste bietet die Insel ein einzigartiges Erlebnis, da Massentourismus vermieden wird, die Eco-Bungalows mit außergewöhnlicher traditioneller sansibarischer Architektur erbaut wurden, die Küche auf traditionellen Swahili-Rezepten basiert und jeglicher anfallende organische Müll vor Ort kompostiert wird. Ebenso werden alle angebotenen Aktivitäten, wie Schnorcheln im Korallenriff, ein geführter Spaziergang durch das Waldreservat und den Coconut Crab-Walk zu den größten Landkrabben der Welt, von “Guiding Rangers” begleitet und dadurch ein Umweltbildungsaspekt mitintegriert.

Umweltbewusste Praktiken wie diese können als Vorbild für andere Unternehmen dienen, einen nachhaltigeren Tourismus - nicht nur auf Sansibar - zu fördern.

Ein weiteres gutes Beispiel ist der Ort Jambiani auf Sansibar, wo Hotels finanzielle Beiträge an Organisationen leisten, die Müll-Kollektor_innen beschäftigen, um den Strand sauber zu halten. Diese Kollektor_innen sammeln den Müll, recyceln ihn und verkaufen die recycelten Materialien an Tourist_innen zurück. Da die regionale Regierung kaum Maßnahmen gegen den Müll ergreift, haben sich die privatwirtschaftlichen Vertreter_innen eigenständig zusammengeschlossen, um das Müllproblem anzugehen.

Wie bereits erwähnt gibt es allerdings noch verhältnismäßig wenig ökotouristische und community-basierte Angebote, und die wenigen, die existieren, stehen unter deutlichem Wettbewerbsdruck. Die Regierung Sansibars legte am 09. Februar 2023 die "Sustainable Tourism Declaration" [7] vor, welche von 150 Hotels und Organisationen unterzeichnet wurde und den Tourismus in eine Richtung lenken soll, die den Menschen vor Ort zugutekommt, aber auch das natürliche und kulturelle Erbe der Insel bewahrt. Der Wille zur Veränderung ist also vorhanden, aber es ist noch ein weiter Weg zum vollständigen Umbau des Tourismussektors. Am Ende des Tages ist aber allen Akteur/_innen klar, dass Sansibar als Tourismusdestination zukünftig nur attraktiv bleiben wird, solange eine intakte Natur vorzufinden ist!


Quellen

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Sansibar [2] https://dailynews.co.tz/zanzibar-surpasses-tourist-arrivals-target/ [3] https://www.thecitizen.co.tz/tanzania/zanzibar/zanzibar-s-tourist-arrivals-surpass-one-million-mark-4414492 [4] https://www.thecitizen.co.tz/tanzania/zanzibar/real-estate-development-key-to-zanzibar-s-tourism-growth--4058370 [5] https://www.worldbank.org/en/news/feature/2022/11/09/zanzibar-poverty-assessment-more-diversification-in-tourism-will-help-accelerate-poverty-reduction [6] https://www.bfn.de/oekotourismus#:~:text=%22Ökotourismus%20ist%20nachhaltiger%20Tourismus%20in,Zusammenarbeit%2C%20GTZ%2C%202001 [7] https://www.zanzibarwildlife.com/help-wildlife/sign-the-sustainable-tourism-declaration/