El Niño in Tansania

Der Besitzer eines Bio-Farming Betriebs in Morogoro erzӓhlt mir von einer so starken Regenzeit wie seit Jahren nicht mehr; ein Farmer freut sich auch zu dieser Jahreszeit wieder Mais anbauen zu kӧnnen. Im Office wird mir vӧllig durchnӓßt ein Bügeleisen zum T-Shirt trocknen angeboten; bei einer Arbeitskollegin stürzt durch den starken Regen zuhause eine Wand ein. Richtig überrascht war ich davon jedoch nicht, denn schon vorher hieß es: „Es ist ein El Niño Jahr! Es wird viel regnen!“. Doch was hat ein Wetterphӓnomen im Pazifik, zwischen Südamerika und Südostasien, mit Regen in Tansania zu tun?

Ein Auto wird durch eine Flut weggespült. Ein Auto wird durch eine Flut weggespült. Ein Auto wird durch eine Flut weggespült. [Foto von Josia Japhet, Free use]

Ein Wetterpänomen vom Pazifik bis nach Tansania

Der Besitzer eines Bio-Farming Betriebs in Morogoro erzӓhlt mir von einer so starken Regenzeit wie seit Jahren nicht mehr; ein Farmer freut sich auch zu dieser Jahreszeit wieder Mais anbauen zu kӧnnen. Im Office wird mir vӧllig durchnӓßt ein Bügeleisen zum T-Shirt trocknen angeboten; bei einer Arbeitskollegin stürzt durch den starken Regen zuhause eine Wand ein. Ich habe meine erste (die sogenannte „kleine“) Regenzeit in Tansania hinter mir, und diese hatte es gleich mal in sich. Richtig überrascht war ich davon jedoch nicht, denn schon vorher hieß es: „Es ist ein El Niño Jahr! Es wird viel regnen!“. Doch was hat ein Wetterphӓnomen im Pazifik, zwischen Südamerika und Südostasien, mit Regen in Tansania zu tun? Und zuerst einmal: Was ist denn El Niño eigentlich genau? Besonders wichtig ist diese Frage, da mit dem Begriff „El Niño“ verschiedene Dinge bezeichnet werden.

Was ist El Niño?

Der Name El Niño (spanisch für „kleiner Junge“ oder in diesem Fall „Christkind“) wurde im 19. Jahrhundert von Fischern im nӧrdlichen Peru verwendet, um damit eine jӓhrliche, um die Weihnachtszeit auftretende südwӓrtsfliessende Warmwasserstrӧmung zu bezeichnen. Bald jedoch fiel Wissenschaftlern auf, dass in irregulӓren Abständen von ein paar Jahren die Verӓnderungen, zum Beispiel der Wassertemperatur, deutlich grӧßer ausfielen und zeitgleich dazu Klimaverӓnderugen an der Küste beobachtet werden konnten, zum Beispiel große Überflutungen in der normalerweise sehr trockenen Landschaft.

Nach und nach wurde der Begriff El Niño deswegen nicht mehr für die jӓhrlich vorkommende Strӧmung, sondern für die grӧßere Meerwassertemperaturverӓnderung vor der Westküste Südamerikas verwendet.

Diese Verӓnderung, also El Niño, tritt irregulӓr in Abstӓnden von wenigen Jahren auf, der genaue Abstand kann nicht vorhergesagt werden. Auch variiert die Stӓrke des Temperaturanstieges gegenüber dem des Normalzustandes stark und kann von etwa 2-3°C bis zu 8-10°C reichen [1]. Große Temperaturanstiege kommen seltener vor und haben stӓrkere und globalere Effekte auf das Klima.

Um zu verstehen, wie es zu diesen massiven Temperaturschwankungen kommen kann, betrachten wir den Normalzustand des tropischen Pazifiks. Normalerweise wehen über dem tropischen Pazifik starke Passatwinde Richtung Westen, diese „schieben“ warmes Oberflӓchenwasser von Südamerika aus in den Westpazifik, also in Richtung Südostasien. Als Ausgleichsbewegung dazu kommt es zu einem Auftrieb an der südamerikanischen Küste, wobei kӓlteres und nӓhrstoffreiches Wasser aus tieferen Schichten durch die dünne Warmwasseroberflӓchenschicht nach oben tritt. Dies hat zur Folge, dass die Wasseroberflӓche in Indonesien etwa 7,2°C wӓrmer ist als in Ecuador und sogar ca. einen halben Meter hӧher liegt [2].

Bei einem El Niño-Event schwӓchen die nach Südostasien wehenden Passatwinde über dem Pazifik ab. Das warme Oberflächenwasser aus Südostasien drückt nun nach Südamerika, wodurch der eben beschriebene „Normalzustand“ abgeschwächt bis umgekehrt werden kann. Die Wassertemperaturen zwischen dem südostasiatischen und südamerikanischen Pazifik gleichen sich also an, was bedeutet, dass sich das Wasser vor der südamerikanischen Küste erwӓrmt und das in Südostasien abkühlt. Dadurch steigt vor Südamerika unter anderem die Thermokline, die Trennschicht zwischen dem warmen Oberflӓchenwasser und dem kalten und nährstoffreichen tieferem Wasser, auf bis zu 150m Tiefe [2], wodurch die Auftriebsstrӧmung zum Erliegen gebracht wird

Die Wind- und Luftdruckverӓnderungen, welche parallel mit El Niño auftreten, werden auch als Southern-Oscillation (Abkürzung: SO) bezeichnet. Diese stellen den atmospherischen Teil zu dem ozeanischen El Niño da, das Ereignis, welches sich aus diesen beiden zusammensetzt heißt El Niño-Southern Oscillation (kurz: ENSO).

Wieso der Name "El Niño"?

Vermutlich fanden viele Leute El Niño aber einen deutlich schӧneren Namen als ENSO, wodurch der Begriff El Niño, auch in der Wissenschaft, oft als Synonym zu ENSO verwendet wird, auch wenn dies zu Verwirrung führen kann, da El Niño eigentlich nur ein Teil des grӧßeren Ereignisses ist und dies nun auch schon das dritte etwas abgewandelte Phänomen ist, das so bezeichnet wird. Da ich ebenfalls finde, dass El Niño sich besser anhӧrt als ENSO (und natürlich weniger wichtig, dass dieser Begriff auch allgemein gelӓufiger ist) werden auch wir im restlichen Blogartikel mit El Niño das gesamte ENSO-Ereignis bezeichnen.

Ein Ereignis mit vielfältigen Folgen – global

Folgen für Südamerika sind zum Beispiel, dass eine große Anzahl Fische in dieser Region, aufgrund des nun nährstoffärmeren Wassers, entweder stirbt oder in andere Gewӓsser migriert, was für die auf Fischfang angewiesene Bevӧlkerung an der Küste große Auswirkungen hat. Durch die wӓrmere Wasseroberflӓchentemperatur kommt es in Südamerika des Weiteren zu starken Regenfӓllen und teilweise heftigen Überschwemmungen, wobei das nun kӓltere (im Vergleich zum Normalzustand) Wasser in Westen zu Dürren in Südostasien und Australien führt.

Da El-Niño (ENSO) ein hӧchst umfangreiches Ereignis ist, bei dem unzӓhlige atmospherische und hydrographische Faktoren eine Rolle spielen ist über die eventuellen Auswirkungen des Klimawandels auf El Niño und umgekehrt aktuell noch wenig bekannt. Dieses Ereignis ist für die aktuellen Klimamodelle, mit denen mӧgliche Verӓnderungen vorhergesagt werden zu komplex.

El Niño Auswirkungen spürbar bis nach Ost-Afrika und Tansania

Die vielzahl der Veränderungen und Auswirkungen beeinflussen lokales Klima auch auf der anderen Seite der Welt, durch sogenannte Telekonnektionen (siehe Karte), womit wir nun auch (endlich!) nach Tansania kommen. Diese komplexen Telekonnektionen beeinflussen in Ostafrika hauptsӓchlich die Menge an Niederschlag, grundsӓtzlich gibt es bei einem El Niño-Event im nӧrdlichen Ostafrika einen starken Anstieg von Niederschlag, weiter südlich hingegen sinkt die Regenmenge. Tansania liegt dabei etwas an der Übergangszone (siehe Karte), die grӧßere Auswirkung ist aber ein Anstieg von Niederschlag in bestimmten Regionen. Hierbei sind vor allem die Regionen betroffen, die zwei Regenzeiten im Jahr haben (u.a. Pemba und Unguja, Mwanza, Kigoma, nӧrdlicher Teil der Morogoro Region, Dar es Salaam, Pwani etc.), diese liegen in Nordtansania oder in der Küstenregion[3]. Der Zeitraum für die verstӓrkten Regenfӓlle beläuft sich etwa auf Ende September/Anfang Oktober bis Januar. So war es auch 2023/24, dieses Mal wurde der Effekt durch ein gleichzeitig auftretendes starkes positives IOD (+Indian Ocean Dipole), ein weiteres Wetterphӓnomen, verstӓrkt.

Karte zum El Niño

Kartenquelle: NOAA Climate.gov

Was die konkreten Auswirkungen dessen waren, betrachten wir im folgenden Teil. Die Auswirkungen des aktuellen El Niño-Ereignisses sind in Afrika, wie bereits erwӓhnt, nicht auf Tansania beschränkt. Die gesamte Ostafrika-Region, darunter Burundi, Äthiopien, Kenia, Ruanda, Somalia, Südsudan, Sudan und Uganda, hat unter den starken Regenfällen und Überflutungen gelitten. Laut Berichten haben mindestens 479 Menschen ihr Leben verloren, mehr als 5,2 Millionen Menschen sind von den Auswirkungen betroffen, und 2,1 Tausend Menschen wurden durch die Fluten vertrieben [4]. Tansania ist derzeit mit den verheerenden Auswirkungen des El Niño-Ereignisses konfrontiert, das zu verstärkten Niederschlägen und schweren Überschwemmungen geführt hat. Laut Behördenberichten sind mindestens 47 Menschen gestorben, und 85 weitere wurden durch die starken Überschwemmungen und Erdrutsche im Norden Tansanias verletzt.

Verherrende Auswirkungen für Leben, Landwirtschaft und Fischfang

Seit Ende Oktober hat Tansania ungewöhnlich starke Regenfälle erlebt. Insbesondere im Hanang District in der Manyara Region führten heftige Regenfälle zu Erdrutschen, bei denen Felsen, Holz und eine große Menge Wasser vom Mount Hanang auf die Stadt Katesh zu flossen. Offiziellen Berichten zufolge haben dabei mindestens 72 Menschen ihr Leben verloren, 117 wurden verletzt, und 5.600 Menschen sind betroffen[5]. Die starken Regenfälle und Überschwemmungen haben nicht nur zu menschlichen Tragödien geführt, sondern auch schwerwiegende Auswirkungen auf die Landwirtschaft gehabt. Etwa 750 Acres verschiedener Nutzpflanzen wurden zerstört, und viele Nutztiere kamen ums Leben[4]. Andererseits profitierten viele Farmer jedoch auch von den verstӓrkten Regenfӓllen, die mehreren ungewӧhnlich trockenen Jahren folgten, in dem sie dieses Jahr auch in der „kleinen“ Regenzeit Pflanzen, oft zum Beispiel Mais, anbauen konnten. Laut manchen Erzӓhlungen war dies in den letzten Jahren anscheinend nicht oder nur in geringerem Maße mӧglich. Der Direktor der Tanzania Meteorological Authority (TMA) Dr. Ladislaus Chang’a rief Farmern dazu auf, sich richtig auf den verstӓrkten Niederschlag vorzubereiten und sich über die am besten geeigneten Methoden zu informieren [3].

Für Fischer bedeuteten die vermehrten Regenfӓlle und Stürme hingegen tendenziell eine geringere Fangmenge wӓhrend der Saison. Infrastrukturen wie Straßen, Wasserquellen, Strom- und Kommunikationssysteme, sowie Gesundheits- und Bildungsdienste wurden ebenfalls stark beeinträchtigt. Um den Herausforderungen, die mit solchen Klimaereignissen verbunden sind, besser zu begegnen, hat Tansania einen El Niño-Notfallplan enthüllt [6]. Die Bemühungen zur Bewältigung von El Niño in Tansania konzentrieren sich sowohl auf individuelle als auch auf staatliche Vorbereitungen, um die Auswirkungen zu minimieren und die Gemeinden widerstandsfähiger zu machen. Zur individuellen Vorbereitung rät der Staat zum Beispiel sich über die Wettervorhersage der Tanzania Meteorological Authority (TMA) zu informieren. Weiter gibt es beispielsweise Trainings für Regional Leaders und Experten, um sich auf die möglichen Effekte von El Niño vorzubereiten [7].

El Niño ist also ein Phänomen bei welchem sich die Wind- und Luftdruckverhältnisse im Pazifik zwischen Südamerika und Südostasien ändern. Dadurch kommt es zu Veränderungen im Ozean. Unter Anderem veränderte Wassertemperaturen und -stände. Durch Telekonnektionen beeinflusst El Nino die Wetterverhältnisse auf der ganzen Welt.
Übrigens hat El Niño auch eine Gegenspielerin namens La Niña (span.: little Girl). Während La Nina ist der Normalzustand deutlich verstärkt und der Polar-Jetstream wird nach Norden verschoben, wodurch es zu gegenteiligen Effekten kommt [8]. Interessant bleibt für uns, dass El Nino bisher nicht vorhersehbar ist, also El Niño Jahre zufällig auftreten und das Wechselspiel mit dem Klimawandel durch die Komplexität nicht abzuschätzen ist. Außerdem kann El Nino positive, wie sehr negative Effekte für Mensch und Umwelt haben, wie die beschriebenen Folgen in Tansania zeigen.


Verwende Quellen

[1] Britannica: El Niño https://www.britannica.com/science/El-Nino

[2] National Geographic: El Niño https://education.nationalgeographic.org/resource/el-nino/

[3] The Citizen: TMA warns of El-Nino influenced rains https://www.thecitizen.co.tz/tanzania/news/national/tma-warns-of-el-nino- influenced-rains--4346062

[4] OCHA: Eastern Africa: El Nino Impact Snapshot (December 2023) https://www.unocha.org/publications/report/somalia/eastern-africa-el-nino-impact-snapshot-december-2023#:~:text=El%20Ni%C3%B1o%2Dinduced%20heavy%20rains,lives%2C%20livelihoods%2C%20and%20displacement

[5] OCHA: Tanzania: Heavy Rains and Flooding Flash Update No. 1, 8 December 2023 https://www.unocha.org/publications/report/united-republic-tanzania/tanzania-heavy-rains-and-flooding-flash-update-no-1-8-december-2023

[6] Daily News: Tanzania unveils El Nino Contingency Plan https://dailynews.co.tz/tanzania-unveils-el-nino-contingency-plan/#google_vignette

[7] Digest.tz: Tanzania`s 2023 El Nino Outlook: What to Expect and how to Prepare https://www.digest.tz/tanzanias-el-nino-outlook-what-to-expect-and-how-to-prepare/#:~:text=El%20Ni%C3%B1o%20can%20have%20a,shortages%20and%20higher%20food%20prices

[8] National Oceanic and Atmospheric Administration: What are El Nino and La Nina https://oceanservice.noaa.gov/facts/ninonina.html