Von grünen Seen, Flaschensammlern und Müll fressenden Insekten

Er ist überall, bunt gemischt und ein schwerwiegendes Problem für unsere Umwelt: Müll. Ein grober Überblick der aktuellen Problematik und verschiedener Lösungsansätze in Tansania.

Flaschensammlung auf Sansibar. Flaschensammlung auf Sansibar. Gesammelte Plastikflaschen wurden an einem Baum zusammengetragen. [Foto von Jonas Freudigmann, by Jonas Freudigmann]

Morgens, 09:00 Uhr. Ich verlasse das Haus und mache mich, genüsslich den Rauch einer nahen Müllverbrennung einatmend, auf den Weg zum Bus. Es geht durch einen wunderschönen, von Palmen und Plastikmüll gezierten Weg, vorbei am giftig-grünen See am Markt, an welchem das „Hier keinen Müll hinschmeißen!“-Schild herzlich gerne übersehen wird und weiter bis nach Mwembeladu, wo der Abfall geschickt hinter unserem Laden versteckt wird. Auf dem Weg zur nächsten Installation einer Solaranlage wird die leere Saftflasche lustlos aus dem Autofenster geworfen. Angekommen landen die Verpackungen der Lampen dort auf dem Boden, wo sie ausgepackt wurden und die Kabelreste kommen nur so weit, wie der zum Abisolierer umfunktionierte Mund sie spucken kann.

Natürlich habe ich übertrieben; es liegt nicht überall nur Müll herum und bestimmt gibt es auch genug Leute, die besagtes Schild achten, aber es ist nicht zu leugnen: in Tansania gibt es ein großes Müllproblem!

Die Müllerzeugung pro Kopf liegt in Tansania bei „nur“ 365 Kilogramm pro Jahr im Vergleich zu 617 in Deutschland, womit Tansania weltweit auf Rang 57 steht – weit unter Deutschlands Rang 15. Wie kommt es denn dann zu meiner Beschreibung? Warum ist der Müll so präsent? Der Grund ist simpel: während in Deutschland nahezu 100% des Mülls gesammelt und entsprechend entsorgt werden, sind es in Tansania nur 48%, logisch also, dass man dem Abfall auch auf den Straßen eher begegnet.

Das Müllproblem Tansanias ist also mehr ein Abfallentsorgungsproblem. Denn woran es hier häufig mangelt ist eine gute Entsorgung und der korrekte Umgang mit Müll.

Es sind durchaus Mülldeponien vorhanden, es gibt in einigen Orten auch Müllabfuhren und in letzter Zeit werden immer mehr öffentliche Mülleimer aufgestellt, auf welchen stolz der Slogan „Keep your city clean“ prankt. Die traurige Realität, die mir hier jedoch nach wie vor täglich begegnet, ist, dass viele Leute ihren Müll einfach dort hin werfen, wo sie sich gerade befinden und, dass auch die Entsorgung des Haushaltsmülls nicht gerade ideal von statten geht – ein Großteil der Leute, die mir in diesem Jahr begegnet sind, verbrennen ihren Müll offen vor dem Haus oder auf kleineren Sammelstellen der Nachbarschaft.

Die Tatsache, dass vieles einfach offen herum liegt birgt jedoch auch einige Chancen für die lokale Bevölkerung: So werden verschiedenste Materialien erneut verwertet und für den eigenen Profit genutzt. Plastikflaschen werden beispielsweise gesammelt, um selbstgemachte Säfte abzufüllen und zu verkaufen; Metallschrott wird in neue Formen gehämmert, um Töpfe, Pfannen etc. herzustellen oder auch um kleine Kunstwerke (für Touristen) zu kreieren; aus alten Wellblechdächern werden kleine Holzkohleöfen gefertigt und, und, und. Auch kleine Kinder fangen schon früh damit an und basteln sich z.B. kleine Autos aus Flaschen und Deckeln!

Es gibt auch nicht gerade wenige Gruppen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben die Straßen sauber zu halten. So sieht man früh morgens auf Sansibar, in vielen Teilen der Stadt Bewohner mit Warnwesten die Straßen fegen und den Müll zusammentragen und wenn man seine Augen offen hält, fallen einem große, zwischen Bäumen gespannte Säcke voller leerer Plastikflaschen auf.

Eine solche Gruppe hat auch mein Freund Ramadhan gegründet: Die Hamasika Co-operative Society. Diese Bürgerinitiative besteht momentan aus acht Frauen und drei Männern und ist hauptsächlich in der Gegend Mwanakwerekwe tätig, wo sie zwei Mal wöchentlich die Straßen von Müll befreien. Das meiste was dort gesammelt wird, wird – mangels Alternativen – einfach zusammengetragen und dann verbrannt. Der Plastikmüll, vor allem die Flaschen, werden jedoch an eine der drei Recycle-Anlagen auf Sansibar geliefert: eine steht im Norden bei Nungwi, eine zweite in Jang'ombe und eine dritte in Fuoni.

So eine Arbeit bringt jedoch kaum Geld ein. Gerade mal 250 tansanische Schilling (etwa 10 Cent) bekommt man an den Abgabestellen pro Kilo Plastikmüll. Da in der Hamasika Co-operative Society ein monatlicher Mitgliedsbeitrag von 3.000 Tsh verlangt wird, müsste jedes Mitglied 12Kilo/Monat sammeln, nur um diese Kosten wieder zu decken. Deshalb macht Ramadhan, so wie andere Mitglieder auch, diese Arbeit nur nebenbei: Hauptberuflich ist er Lehrer und als weitere Nebentätigkeit stellt er kleine Kohleöfen aus Wellblech her. Man sieht also, dass der Bevölkerung das Problem durchaus bewusst ist und, dass auch versucht wird etwas dagegen zu unternehmen. Jedoch wird dies für die Zukunft wohl kaum reichen. Es ist daher notwendig, dass auch die Regierung etwas gegen das Problem unternimmt – und das ist auch zunehmend der Fall. Beispielsweise gibt es Geldstrafen für Müllgruben hinter dem Haus und große Busunternehmen sind verpflichtet in ihren Fahrzeugen Mülleimer aufzustellen. Alleine schon das Herauswerfen einer Plastikflasche aus einem Auto kann mit bis zu 1 Mio. Tsh (ca. 390€) Bußgeld bestraft werden. Seit kurzem sind weiterhin die sogenannten „Viroba“ verboten, kleine Mengen Alkohol, die in Plastik eingeschweißt sind. Des Weiteren wurde die Abfallentsorgung privatisiert, was zur Gründung vieler neuer Unternehmen führte und Möglichkeiten in einem neuen Markt eröffnete.

The Recycler', ein Unternehmen aus Dar es Salaam, welches sowohl für Privatpersonen, als auch für Unternehmen eine sichere Abfallentsorgung anbietet – von normalem Müll, über Recyclebares bis hin zur Entsorgung schädlichen Abfalls – ist hier innovativ: mit dem Projekt 'Insect-derived Protein' geht das junge Unternehmen nicht nur das Abfallproblem an, sondern geht noch einen Schritt weiter. In einem Zug versucht es dabei zu helfen die Nahrungsmittelproduktion zu erhöhen, um eine stetig wachsende Lokal-, sowie Weltbevölkerung ernähren zu können. Der Ansatz dieses Projektes ist es, heimische Insekten zur Verwertung organischen Abfalls zu verwenden. Sobald die Insekten ihren kurzen Lebenszyklus vollendet haben, werden sie getrocknet und als (sehr proteinreiches) Viehfutter genutzt – während der junge Nachwuchs sich schon wieder um den Müll kümmert. Das Projekt ist noch jung und nicht ganz ausgereift; bis Ende 2017 rechnet das Unternehmen jedoch damit eine finanzierbare Option für Haushalte anbieten zu können, womit vielen die Möglichkeit geboten wäre, den eigenen organischen Abfall zu Futterproduktion nutzen zu können.

All diese neuen Ansätze und Ideen helfen jedoch auch nur bedingt, wenn kein Umweltbewusstsein vorhanden ist. Bildungsarbeit ist dementsprechend sehr wichtig, da hier vielen nicht wirklich bewusst ist, wie schädlich z.B. Plastik für die Umwelt ist – und auch hier gibt es schon einige aktuelle Initiativen. Die italienische NGO 'Acra' hat im Rahmen des 'Pro Poor Tourism' Projekts, welches von der EU mitfinanziert wurde, den 'Education and Awareness Guide' erstellt, ein Booklet, welches einerseits beim Leser selbst ein Bewusstsein für das Müllproblem schaffen soll, aber andererseits auch Informationen bietet, wie man dieses Wissen auch erfolgreich an jüngere und ältere Mitmenschen weitergeben kann. Es klärt die durch den Müll entstehende Umweltverschmutzung; die Gesundheitsrisiken, die z.B. Müllverbrennung birgt und regt zur korrekten Mülltrennung und -entsorgung an. Im Rahmen dieses Projektes wurde das Booklet an viele Schulen (auf Sansibar) verteilt, es ist jedoch auch für jeden im Internet zugänglich und es wird explizit dazu angeregt es auch selbstständig zu vervielfältigen und weiterhin in Umlauf zu bringen.

Man kann also hoffen, dass die vielen Projekte und Initiativen, die sich um Recycling, korrekte Abfallentsorgung, Bildungsarbeit und andere Aspekte des Problems bemühen, für ein saubereres, nachhaltigeres und schöneres Tansania sorgen – auch wenn der Alltag momentan noch zeigt, dass das ein weiter Weg ist.


Quellen: www.atlas.d-waste.com; SECO (NGO) Mitarbeiter; www.recycler.co.tz/insect-derived-protein/